Liebe

Ich habe immer an die Liebe geglaubt. Ich war immer der Überzeugung, die Liebe ist meine Aufgabe und Worte sind meine Feder. Auch war mir schon immer klar, dass Liebe großes Glück und großes Leid bedeuten kann.
In der Liebe findet der Mensch die Chance sich selbst zu begegnen, über sich hinaus zu wachsen und sein bestes Ich zu sein. Die Liebe kann auch die dunkelste Seite in einer Person heraus kehren, und sie mit ihren tiefsten Ängsten und mit ihren schlechtesten Eigenschaften konfrontieren.
Seit ich auf der Welt bin, habe ich so viele Ebenen von Liebe erfahren. Letztlich bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass die Liebe eine tiefe Energie ist, die ins uns selbst entsteht und alles verbindet. Sie macht uns stärker und schwächer, emotionaler und verschlossener, besser und schlechter. Sie ist das, was die Welt bewegt.
Liebe macht stärker
Die Liebe treibt Menschen dazu, sich für andere einzusetzen, über sich selbst hinaus zu wachsen und für ihre eigenen Werte und Überzeugungen einzustehen. Sie ist es, die Menschen dazu bringt sich für Flüchtlinge einzusetzen, ganze Nächte auf ihre weinenden Kinder aufzupassen und den Glauben an die tiefe Verbindung zu sich selbst und der Welt aufrecht zu erhalten.
Liebe ist vielleicht sogar Stärke. Wenn ein junger Mensch zum ersten Mal liebt, hat er plötzlich das Gefühl alles ist möglich. Es ist als würde die Welt ein wenig schöner, die Blumen bunter, der Himmel blauer oder die Erde runder. Die erste Liebe verleiht uns Flügel hin zu einer anderen Person, in der wir unendliche Schönheiten entdecken ebenso wie in der Welt selbst. Man sagt, man nimmt diese Person, dieses Ziel der ersten Liebe, wie durch eine rosarote Brille war. Vielleicht stimmt das. Vielleicht aber ist die Brille nicht rosarot, sondern genau so wie sie sein soll, um uns in der ersten Liebe von der Besonderheit und der Kraft dieser Gefühle zu überzeugen. Denn es wird die erste Liebe sein, die uns in ihrer unschuldigen Anfangsmagie immer wieder dazu anhält, die Geschichte mit der Liebe selbst zu versuchen. Auch wenn die Liebe uns unendlich schwach machen kann. Der erste Liebeskummer ist vermutlich auch einer der härtesten. Diese Intensität des Verlusts, der sich tief in das Herz eingräbt und scheinbar den gesamten Körper lähmt; dieser Verlust, der die Welt grau und einsam macht. – Dieser Verlust hallt so laut und so lange, dass wir ihn oft nie vergessen. Genau das macht die Liebe, sie macht schwach. Doch in dieser Asche der Schwäche entsteht auch immer eine neue Glut, die zur Kreativität und neuen Ideen für das weitere Ausleben der Zukunft anregt.
Liebe erweckt die volle Farbpalette der Gefühle
Liebe macht auch emotional. Eben in der Stärke und Schwäche kehrt sie die gesamte Farbpalette von Gefühlen an die Oberfläche. Ob bunte Farben von Glück und Fröhlichkeit, oder dunkle Farben von Einsamkeit und Verzweiflung, alles ist Teil dieser Palette. Wir werden zu den Künstlern, die ihr eigenes Leben in allen Farben ausgestalten dürfen. Mal malen wir mit bunten Farben Kreise, Striche und Figuren, die eigentlich ganz im Sinne des Expressionismus nichts darstellen und doch alles ausdrücken. Die bunte Ausdruckskraft ist wie das Strahlen unserer Augen. Offen und glücklich teilen wir mit dem Umfeld, wie es um uns steht. Wir sind glücklich und erfüllt von der treibenden Energie der Liebe. Sie macht uns zugänglich; mehr noch, wir wollen unser Glück in die ganze Welt hinaus schreien. Oft entspringt dieses Glück der Liebe einer Partnerschaft, oft aber auch einfach uns selbst. Dann fühlen wir die tiefe Verbundenheit mit dem Universum, die uns gleichzeitig an den Grund unseres Daseins und den Ursprung der Welt erinnert. Liebe ist Sein, pure Energie und die Kraft des Lebens. Doch ohne Ying kein Yang – ohne weiß, kein Schwarz. So ist auch die Verschlossenheit, der Rückzug und die Dunkelheit Teil dieses Ausdrucks. Nicht selten malt der Künstler der Liebe in dunklen, grauen Farben klare Darstellungen von unglücklichen Gesichtern, dunklen Wüsten und verzweifelter Ahnungslosigkeit in den Weiten des Nichts. Trauer, Verlust und Angst um all diese Emotionen machen den Liebenden verschlossen und leer. Liebe erfordert so viel Mut, eben diese Farbpalette auszureizen und nicht in einer ihrer Ausprägungen zu verharren. Die Verbundenheit mit allem in der Welt ist Teil der Liebe – und so ist wohl auch die Welt selbst in Teilen stark und füllend, in anderen Teilen zehrend und herausfordernd.
Wenn die Liebe uns in allem mit dem ganzen des Universums verbindet, verbindet sie uns auch mit den Gegensätzen, die anzunehmen manchmal unendlich schwer sind. Der glückliche Mensch möchte im Glück bleiben und vergessen, dass größtes Glück auch größtes Leid und die ultimative Verbundenheit gleichzeitig auch ultimative Trennung bedeuten kann.
Liebe bedeutet Konfrontation
Liebe konfrontiert uns mit dem Besten und dem Schlechtesten in uns. Der glücklich Liebende läuft strahlend durch die Welt. Was sein Lächeln berührt, beginnt zu leuchten. Die Vibration des Optimismus und Leuchtens strahlen weit über den Liebenden hinaus. Das Universum selbst vibriert auf der gleichen Ebene. Liebe ist Energie und die ultimative Verbindung des Einzelnen mit dem Ganzen. Jedes Element, jedes Atom pulsiert durch Energie. Wir alle agieren durch Energie. Wir reagieren auf das leuchtende Licht der glücklichen Liebe mit ebenso glücklicher Liebe. Denn das ist es, was wir alle als unseren Weg zur inneren Kraft und dem Ausdruck des Selbst empfinden. Wenn sich zwei Junge frisch verliebt küssen, lösen sie nicht selten ein Lächeln in den Alten aus. Wenn sich zwei Alte liebevoll an den Händen nehmen und am Strand entlang laufen, seufzen die Jungen und hoffen auf ihre eigene Zukunft in Verbundenheit.
Aber Liebe birgt auch Verletzung und Wut in sich. Es ist so sehr die Energie der Schöpfung, wie der Zerstörung. Diese Energie richtet sich nicht selten auf uns selbst wie ein Monster der inneren Zermürbung. Man beginnt an sich, seinem Weg und Selbst zu Zweifeln. Die Vibration strahlt nach außen und das Umfeld reagiert einmal mehr. Unisono zu der negativen Energie im Innen reagiert die Außenwelt. Oft nimmt der von Zermürbung geplagte Liebende mehr Streit um sich wahr. Beziehungen mit Freunden, Kollegen oder vielleicht sogar dem Partner selbst sind geprägt von Zwisten und Uneinigkeit. Oder er provoziert diese Streitereien vielmehr, weil er im Grunde den Zwist in sich selbst auf eine bestimmte – oft unbewusste Weise – zum Ausdruck bringen möchte.
Wir alle sehnen uns nach der Verbindung mit dem Ganzen
Der Mensch sehnt sich so sehr nach diesem Eins. Die Liebe macht uns Eins – mit uns selbst, der Welt und den anderen. Sie macht uns auch bewusst, dass es eine Einigkeit mit anderen Seelen geben kann – mit manchen vielleicht mehr, mit manchen weniger. Doch wer schon einmal das absolute Eins-Sein mit sich selbst verspürt hat, weiß, dass dieses Eins-Sein mit vielen Wesen, die auf der selben Ebene vibrieren möglich ist. Oft wird die Liebe in verschiedenen Versionen beschrieben: der freundschaftlichen Liebe, der erotischen Liebe und der ultimativen Liebe. Dabei ist die freundschaftliche Liebe eine Liebe wie zwischen Geschwistern; die erotische Liebe erfährt der Körper durch die Vereinigung mit einem anderen Körper. Die höchste Form der Liebe ist die Verbundenheit im Geist sowie durch den Körper, die alle Grenzen auflöst und uns eins werden lässt mit dem männlichen und weiblichen, mit dem emotionalen und dem rationalen. Diese Form der Liebe erfordert Hingabe und Aufgabe des Selbst. Sie ist Teil von allem und nichts. Es ist das Beste und das Schlechteste. Diese Liebe ist die Verbindung aus den Stäre und Schwäche, aus Offenheit und Verschlossenheit, aus Gut und Böse. Im Grunde ist sie die Auflösung der Gegensätze, so dass aus Feuer und Wasser die pure Energie fliessen kann und der Liebende selbst die Verbindung mit allem annehmen, leben und darin aufgehen kann.
Die Liebe – ein Spiel von Feuer und Wasser
So ist die Liebe also ein Spiel aus Feuer und Wasser, das uns in ihren Gegensätzen langsam hilft zu wachsen und zu werden. Im Grunde ist sie der Weg die Welt in all ihren Facetten und sich selbst zu erleben. Wer sich der Liebe öffnet, öffnet sich hin zu sich und zu anderen. Wer sich der Liebe öffnet, hat die Chance Erfahrungen in all ihren Farbgebungen zu machen und seine Welt entlang dieser Palette zu erleben. Es wird nicht immer leicht und wohl selten in der absoluten Auflösung der Gegensätze enden. Und doch ist es vielleicht der einzige Weg sich selbst und der Welt in ihrer vollen Schönheit und Verbundenheit immer wieder zu begegnen.